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Letter from Munich – 016

Letter from Munich – the Joseph Affair – 16

EINE DEUTSCHE FASSUNG STEHT WEITER UNTEN.

27 April 2001

Dear Mr. Graf, dear friends,

“Not ANOTHER million,” laughed Alexandra. “Surely you’re making that up.”

“I’m not. I’m serious,” I said to her. “The former treasurer of Helmut Kohl’s party has just admitted there is another one million German marks that apparently represent campaign contributions that were not legally accounted for. He has no idea where the money came from.”

“Sometimes I don’t know whether to laugh or cry,” she replied, “when I consider the current state of politics in Germany.”

“But it’s really no more corrupt than anywhere else?”

She looked at me as if I were a hopeless case. “Whether it is or not is beside the point. If you were to steal money from someone, I doubt that anyone would excuse you simply because other people steal money all the time.”

She looked at each of us in turn, as if inviting us to think more carefully. “Political and social corruption in Germany may be no worse than anywhere else.” Looking at me, she added, “It’s probably no worse than it is in America.” Then, leaning forward slightly, she said with an intensity I have not often heard in her voice, “But the difference between Germany and America – perhaps between all of Europe and America – is that in America no group and no individual are considered above the law.”

“And the press is freer and more aggressive in America,” a young student interjected.

“And the press is freer and more aggressive in America,” Alexandra repeated. “That’s true. But I think the essential point is that in Germany and some other European countries ‘the great ones,’ like Helmut Kohl or Kurt Biedenkopf or Edmund Stoiber consider themselves ‘more equal’ than other people. And most Germans, whether they are conscious of it or not, agree. Most Germans believe that if the crimes that Kohl or Biedenkopf or Stoiber have committed were really thoroughly investigated and those men were charged and prosecuted for what they have done, the whole political and social order would begin to come apart. Most Germans believe that if ‘those up above’ can somehow plausibly present themselves as upright and honest, no matter how fictional that presentation may be, then they must be believed and taken at their word. That’s why no major political scandal in Germany since the end of World War Two has ever been thoroughly investigated. That’s why every parliamentary investigating committee, every district attorney, and every journalist – especially the ones in the German state-controlled media – are weak and ineffectual when it comes to investigating a major political scandal. And often even a minor one.”

A woman in the group started to object, but Alexandra went on, “And in the present political climate, when right-wing extremists hold extraordinary power – unofficially of course – in certain parts of the country, this odd German attitude can lead even to violent crimes that are never satisfactorily investigated.”

“Alexandra,” someone commented gently, “I think you’re obsessed with the death of the boy Joseph in Saxony.”

“I am obsessed with injustice,” she replied, just as gently. “I am obsessed with a murder that is covered up by the authorities, because they are under political pressure from above. I am obsessed with a family that is still harassed and threatened because they tried to tell the truth about the circumstances of their child’s death.”

If it were possible to express a sigh in writing, I suppose I would do that now. Obviously Alexandra is obsessed with these things. But to say that great men like Kohl, Biedenkopf, and Stoiber – who know far more than a simple old man like me – are guilty of ‘crimes,’ well, that seems to me to be simply going too far. I would never say such things. Surely Kohl, Biedenkopf and Stoiber, like all German politicians, are really good at heart, aren’t they?

Sincerely yours,

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

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Since many recipients of this letter may read German more easily than they read English, the following is the author’s own translation of the above letter. Please note that word-processing programs outside of German-speaking countries may not display all of the letters of the German alphabet correctly.

Bitte vergessen Sie nicht, dass der Autor dieses Briefes Autodidakt ist, was die deutsche Sprache betrifft, und er weiß, dass die folgende Übersetzung viele Fehler enthält. Er hofft aber, man werde diese Fehler übersehen, um hinter den Fehlern das sehen zu können, was in diesem Schreiben und in dieser Affäre von zentraler Bedeutung ist.

München, den 27. April 2001

Sehr geehrter Herr Graf, sehr geehrte Freunde,

„NOCH eine Million?“ und Alexandra lachte. „Das hast du dir doch nur ausgedacht, oder?“

„Nein. Es stimmit,“ sagte ich. „Der ehemalige CDU- Schatzmeister Kiep hat zugegeben, es gibt noch eine Million D-Mark, die scheinbar Wahlkampfspende sind, deren Quelle er nicht erklären kann, und die illegal zu sein schein. Er hat keine Ahnung woher dieses Geld stammt.“

„Manchmal weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll“, erwiderte sie, „als ich den jetzigen Zustand der deutschen Politik betrachte.“

„Aber sie ist nicht korrupter als anderswo, oder?“

Sie schaute mich an, als ob ich ein hoffnungsloser Fall wäre. „Es ist nicht wichtig, ob es anderswo korrupter ist, oder nicht. Wenn du aus der Kasse stehlen würdest, ist das immer noch ein Verbrechen, oder? Es wäre egal, wie viele andere Menschen dasselbe tun“.

Sie sah uns alle nacheinander an, als ob sie uns auffordete, über alles etwas gründlicher nachzudenken. „Politische und soziale Korruption in Deutschland ist vielleicht nicht schlimmer als anderswo“. Sie sah mich einen Augenblick an und fügte hinzu, „Sie ist wahrscheinlich nicht schlimmer als in Amerika.“ Sie beugte sich ein bisschen vor und mit einer Intensität, die ich nicht oft in ihrer Stimme gehört habe, sagte, „Aber der Unterschied zwischen Deutschland und Amerika – vielleicht zwischen ganz Europa und Amerika – ist dies, dass in Amerika keine Gruppe, kein Individuum als eine über dem Gesetz stehende Gruppe oder als einen über dem Gesetz stehenden Menschen betrachtet werden kann“.

„Und in Amerika ist die Presse freier und aggressiver“, warf ein junger Student ein.

„Ja, und in Amerika ist die Presse freier und aggressiver,“ wiederholte Alexandra. „Das stimmt. Aber ich glaube, das Wesentliche ist dies, dass in Deutschland und in anderen europäischen Landern ‚die da oben’, wie zum Beispiel Helmut Kohl oder Kurt Biedenkopf oder Edmund Stoiber, sich als ‚gleicher’ betrachten; sie glauben, sie sind ‚gleicher’ als andere Menschen. Und die meisten Deutschen, ob sie es wissen oder nicht, sind derselben Meinung. Die meisten Deutschen glauben, wenn die Verbrechen, die Kohl oder Biedenkopf oder Stoiber begangen haben, echt gründlich untersucht und diese Menschen deswegen angeklagt und verfolgt würden, was sie getan haben, dann würde die ganze politische und soziale Ordnung anfangen zusammenzubrechen. Die meisten Deutschen glauben, wenn ‚die da oben’ sich nach außen hin anständig und ehrlich geben können, und all das plausibel scheint, so erfunden und fiktiv es auch sein mag, dann müssen alle ‚denen da oben’ glauben und sie beim Wort nehmen. Das ist der Grund dafür, dass in Deutschland kein großer Skandal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs jemals gründlich untersucht wurde. Das ist der Grund dafür, dass jeder Untersuchungsausschuss, jeder Staatsanwalt und jeder Journalist – insbesondere diejenige, die bei den staatlich kontrollierten Medien tätig sind – sind schwach und machtlos, wo es sich um die Untersuchung eines großen politischen Skandals handelt. Und oft auch um die Untersuchung eines kleinen Skandals“.

Eine Frau, die dabei war, began, einen Einwand zu erheben, aber Alexandra fuhr fort, „Und in dem jetzigen politischen Klima, wo Rechtsradikale außergewöhnliche Macht haben – ganz inoffiziel natürlich – in gewissen Teilen des Landes, kann diese seltsame deutsche Einstellung schließlich zu Gewalttäten führen, die niemals richtig untersucht werden.“

„Alexandra,“ bemerkte irgendjemand fast zärtlich, „ich glaube, du bist vom Tod Josephs, vom Tod dieses armen Kindes in Sachsen, eigentlich besessen“.

„Ich bin davon besessen, was ich mir unter Gerechtigkeit vorstelle“, erwiderte sie genaus so zärtlich und leise. „Ich bin davon besessen, dass die Behörden einen Mord vertuscht haben, weil sie unter politischen Druck von ‚denen da oben’ standen. Ich bin davon besessen, dass Josephs Eltern und Schwester immer noch schickaniert und bedroht und gefährdet werden, weil sie versucht haben, die Wahrheit über die Umständen des Todes des Kindes zu sagen“.

Wenn es möglich wäre, einen Seufzer schriftlich zu machen, glaube ich, dass ich das jetzt tun würde. Meiner Meinung nach ist es klar, dass Alexandra von dieser Sache fast völlig besessen ist. Und zu sagen, dass große Menschen wie Kohl, Biedenkopf und Stoiber – die viel mehr wissen, als ein alter Mensch wie ich wissen kann – zu sagen, dass diese großen Menschen ‚Verbrechen’ begangen haben, na ja, das scheint mir zu weit zu gehen. Ich würde nie solche Meinungen äußern. Ich würde sie sogar nie denken. Kohl, Biedenkopf und Stoiber, wie alle deutschen Politiker, sind doch im tiefsten Herzen gut, oder?

Mit freundlichen Grüßen

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

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