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Letter from Munich – 021

Letter from Munich – the Joseph Affair – 21

EINE DEUTSCHE FASSUNG STEHT WEITER UNTEN.

1 June 2001

Dear Mr. Graf, dear friends,

This is a continuation of a letter sent on 18 May:

“I ran across something that Sakharov wrote,” Sabine had said. “His Nobel Prize acceptance speech. Listen. ‘Other civilizations, perhaps more successful ones, may exist an infinite number of times on the preceding and following pages of the Book of the Universe. Yet we should not minimize our sacred endeavors in the world, where, like faint glimmers in the dark, we have emerged for a moment from the nothingness of unconsciousness into material existence. We must make good the demands of reason and create a life worthy of ourselves and of the goals we only dimly perceive.’”

“God, is that bullshit,” said Heinrich.

Before Sabine could respond, a young male voice came from one of the distant, softly lit corners of the room. “One key to the problem of the Joseph affair – and to many of the serious problems in the German state of Saxony – is still Kurt Biedenkopf, ‘King Kurt,’ Saxony’s Prime Minister. I wonder whatever happened to the real German spirit, the spirit that once made the Germans a great nation, the nation of poets and thinkers,” said the young man, opening a book he was holding. “In one of Felix Dahn’s historical novels – Dahn is one of the great German novelists of the nineteenth century – there’s a scene where the Goths have discovered their king has betrayed them. One outraged old man stands up speaks and says they must depose their king: ‘And this we do, not unjustly, but according to the law. For we have always been free men, under our kings, and have preferred to lose our kings rather than our freedom. No king is so high above us that he cannot stand before his people to answer for murder, treason, and the breaking of his oath.’ Then apostrophizing the absent king, the old man thunders on, ‘And so I deprive you of crown and kingdom, of rights and life. A fugitive shall you be, unheeded, unhonored, without claim to any right. And wherever Christian people enter church or heathens visit sacrificial altars; wherever fire burns or the earth turns green; wherever ships sail or shields shine; wherever the falcon flies the long spring day, with the wind beneath his pinions, deprived shall you be of house and hall and the company of good people. Deprived shall you be of every dwelling, except for a dwelling in hell. Your heritage and property I distribute to the Gothic folk. Your flesh and blood I give to the ravens overhead.’ ”

For a moment there was silence.

“Oh, for God’s sake, I never heard such kitsch,” said Heinrich as he stalked out of the room, but not before stopping and turning round to us and saying in an odd sort of choked voice, “You think you’ll get Biedenkopf, my friends? I have news for you. You’ll NEVER get Biedenkopf.”

I was at a total loss. I really know so little about politics in Germany, I didn’t know what to make of the whole scene. Maybe you can make something of it, though.

Sincerely yours,

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

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Since many recipients of this letter may read German more easily than they read English, the following is the author’s own translation of the above letter. Please note that word-processing programs outside of German-speaking countries may not display all of the letters of the German alphabet correctly.

Bitte vergessen Sie nicht, dass der Autor dieses Briefes Autodidakt ist, was die deutsche Sprache betrifft, und er weiß, dass die folgende Übersetzung viele Fehler enthält. Er hofft aber, man werde diese Fehler übersehen, um hinter den Fehlern das sehen zu können, was in diesem Schreiben und in dieser Affäre von zentraler Bedeutung ist.

München, den 1. Juni 2001

Sehr geehrter Herr Graf, sehr geehrte Freunde,

Die Fortsetzung des Briefes vom 18. Mai:

„Ich habe neulich zufällig einige Zeile gefunden, die Sakharov einmal schrieb“, hatte Sabine gesagt. „Sie stammen aus der Rede, die er hielt, als er den Nobelpreis entgegengenommen hat. Hört zu, meine Freunde: ‚Andere, vielleicht erfolgreichere Zivilisationen mögen unzählige Male auf den vorangehenden und folgenden Seiten des Buches des Universums existieren. Wir sollten aber nicht unsere heilige Anstrengungen auf dieser Welt herunterspielen, wo wir, wie schwache Lichtscheine in der Dunkelheit, einen Augenblick lang aus dem Nichts des Unbewusstseins in die materielle Existenz getreten sind. Wir müssen den Forderungen der Vernunft entsprechen und ein Leben schaffen, das unserer und der Ziele, die wir erst undeutlich wahrnehmen, würdig ist’“.

„Lieber Gott, ist das große Scheiße“, sagte Heinrich.

Bevor Sabine antworten konnte, hörten wir eine junge männliche Stimme aus einer der sanft geleuchteten Ecken des Zimmers. „Ein Schlüssel zur Lösung des Problems der Affäre Joseph – und zur Lösung aller wichtigen Probleme in Sachsen – ist immer noch Kurt Biedenkopf ‚König Kurt’. Ich frage mich, was mit dem echten deutschen Geist los sein mag, dem Geist, der Deutschland einmal zu einem großen Land machte, dem Land der Dichter und Denker“, sagte der junger Mann, der ein Buch aufschlug, das er in seinen Händen hatte. „In einem der historischen Romane von Felix Dahn, gibt es eine Szene, wo die Goten es entdeckt haben, dass ihr König sie verraten hat. Ein aufs Höchste entrüsteter alter man steht auf und sagt, die Goten ihren König entthronen müssen: Und solches tun wir nicht nach Unrecht, sondern nach Recht. Denn frei sind wir gewesen alle Wege unter unsern Königen und wollten eh’ der Könige missen als der Freiheit. Und so hoch steht kein König, daß er nicht um Mord, Verrat und Eidbruch zu Recht stehe vor seinem Volk’. Und dann apostrophiert den König der alter Mann und sagt: ‘So sprech’ ich dir ab Krone und Reich, Recht und Leben. Landflüchtig sollst du sein, achtlos, ehrlos, rechtlos. Soweit Christenleute zur Kirche gehen und Heidenleute zum Opferstein. Soweit Feuer brennt und Erde grünt. Soweit Schiff schreitet und Schild scheinet. Soweit Himmel sich höht und Welt sich weitet. Soweit der Falke fliegt den langen Frühlingstag, wann ihm der Wind steht unter seinen beiden Flügeln. Versagt soll dir sein Halle und Haus und guter Leute Gemeinschaft und alle Wohnung, ausgenommen die Hölle. Dein Erb und Eigen teil’ ich zu dem Gotenvolk. Dein Blut und Fleisch den Raben in den Lüften’”.

Einen Augenblick schwiegen alle.

„Um Gottes Willen“, sagte Heinrich, „ich habe nie in meinem Leben etwas so Kitchiges gehört“, und er stolzierte zornig aus dem Zimmer. Im letzten Moment aber drehte er sich um und mit einer seltsamen, vor Erregung versagenden Stimme sagte uns, „Ihr glaubt, meine liebe Freunde, dass ihr Biedenkopf erwischen werdet? Ich habe eine Neuigkeit für euch: Ihr werdet NIEMALS Biedenkopf erwischen.“

Ich wusste nicht mehr weiter und war um Worte verlegen. Ich kenne so wenig die Politik in Deutschland. Eigentlich kann ich mit diesem ganzen Gespräch nicht viel anfangen, aber vielleicht können Sie es.

Mit freundlichen Grüßen

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

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